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Lektion 3: Morphosyntaktischer Wandel

Definition:

Morphosyntaktischer Wandel bezieht sich auf Veränderungen in der Struktur und Syntax einer Sprache im Laufe der Zeit. Dies kann Veränderungen in der Wortbildung, Grammatik und Satzstruktur einschliessen.

  • Fixierung der Verbstellung

  • Kasusnivellierung

Schlüsselkonzepte

Einheit 1

In diesem Modul wird der Wandel auf der morphologischen und syntaktischen Ebene behandelt. Die Morphologie ist der linguistische Bereich, der sich mit der Struktur und Bildung von Wörtern in einer Sprache befasst, einschliesslich der Analyse von Morphemen (beudeutungstragende Teile des Wortes), Wortbildung und der Flexion (bsp. Konjugation). Die Syntax ist der linguistische Bereich, der sich mit der Anordnung von Wörtern in Sätzen und der Bildung von grammatisch korrekten Sätzen in einer Sprache befasst. Sie untersucht die Struktur von Sätzen und wie Wörter miteinander kombiniert werden, um Bedeutung und grammatische Regeln zu vermitteln.


Fixierung der Verbstellung
Die Fixierung der Verbstellung im Deutschen bezieht sich auf die starre Position des finiten Verbs im Satz. Im Deutschen handelt es sich um eine sogenannte "V2-Stellung" (Verb-Zweit-Stellung), was bedeutet, dass das finite Verb in den meisten Fällen an der zweiten Position im Satz steht. Hier sind einige wichtige Informationen zur Fixierung der Verbstellung im Deutschen.

Im Althochdeutschen war die Satzgliedstellung frei. Jedoch gab es auch im Althochdeutschen bereits Sätze, bei denen das finite Verb an zweiter Stelle steht. Diese Stellung verfestigte sich bis ins Neuhochdeutsche.
Jedoch kommen im Althochdeutschen zunächst auch andere Verbstellungen vor:

Phol ende uuodan uuorun ziholza (2. Merseburger Zauberspruch)
'Fol und Wotan fuhren zu Holz'
âž” nhd. Fol und Wotan ritten in den Wald


Oft gibt es im Althochdeutschen Sätze, in denen Verberststellung (V1) ersichtlich ist. Die Verberstellung ist im Althochdeutschen gut überliefert, nimmt jedoch im Spätalthochdeutschen und Mittelhochdeutschen ab:

uuanit sih kinada diu uuenaga sela (Muspilli 28)
'wähnt sich Gnade die unglückliche Seele'

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Übung 1:

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Erkennst du die unterschiedliche Verbstellung im altdeutschen und im Neuhochdeutschen Satz? Unterstreiche die finiten Verben.
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Ahd.: An nehein ubel er nedahte/ ein lam z’opphere brahte.

Nhd.: Er dachte an nichts Böses und brachte ein Lamm zum Opfer.
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Hier findest du die Lösungen.

Einheit 2: Kasusnivellierung

Die Kasusnivellierung ist ein morphologischer Wandel, der die Markierung der grammatischen Kategorie Kasus bei Substantiven weniger deutlich werden lässt.
Die Unterscheidung von Nominativ, Akkusativ, Dativ und Genitiv wird bei der reinen Betrachtung eines Substantivs unklarer.
Doch warum ist dies passiert?
Um diese Entwicklungen zu erklären, muss man auf das althochdeutsche Flexionsklassensystem eingehen, das auf verschiedenen Stammformen basiert. Das Althochdeutsche (Ahd.) hatte eine Vielzahl von Klassen, die die Formenbildung von Wörtern bestimmten. Im Germanischen konnte man anhand dieser Klassen erkennen, zu welcher Klasse ein Substantiv gehörte.
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Hilfestellung: Was ist eine Flexionsklasse?
Eine Flexionsklasse ist eine Gruppe von Wörtern in einer Sprache, die ähnliche grammatische Merkmale und Muster in Bezug auf die Deklination oder Konjugation aufweisen. Diese Merkmale umfassen in der Regel die Formen der Wörter in verschiedenen grammatischen Fällen, Numeri, Genus, Tempora, Modus und anderen grammatischen Kategorien.
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Nun benötigst du die Tabelle in Material 9.

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Die althochdeutschen (Ahd.) maskulinen Substantive der a- und i-Stämme verschmelzen zu Beginn des Mittelhochdeutschen (Mhd.) zu einer einheitlichen Endung, nämlich -e. Diese Entwicklung führt zu einer Abschwächung der Endung, da Nebensilben nun weniger deutlich markiert werden. Dieser sprachliche Wandel hat zur Folge, dass die Kasus, also die grammatischen Fälle, nicht mehr eindeutig an der Substantivendung markiert werden können. Es handelt sich also um einen Wandel, der zu Ungunsten der Kasusmarkierung verläuft. Die ursprünglichen Endungen wie -ir und -i entwickeln sich im Mittelhochdeutschen zu -er und -e. Dieser Prozess hat Auswirkungen auf die Grammatik und die Deklination von Substantiven im Mittelhochdeutschen und zeigt, wie sich die deutsche Sprache im Laufe der Zeit entwickelt und verändert hat.
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Hilfestellung: Was ist die Nebensilbenabschwächung?
Die Nebensilbenabschwächung ist ein linguistisches Phänomen, bei dem Vokale in unbetonten Silben in einer Sprache dazu neigen, zu einem zentralen, unbetonten Schwa-Laut (e, wie in kommen) reduziert oder geschwächt zu werden.

Übung 2

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Versuche mit Hilfe der Tabelle die ahd. Übersetzungen für die aufgelisteten Wörter zu finden. Der Fokus liegt dabei auf der Kasusendung.
 

  1. Bestimme den Kasus der neuhochdeutschen Wörter in den Sätzen.

  2. Finde die Kasusendung des Ahd. in der Tabelle.

  3. Versuche, das ahd. Wort zu rekonstruieren. Beachte dabei, welchem Stamm das Wort angehört.



- Die Tage vergehen im Flug. (a Stamm)
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- Ich begrüsse die Gäste. (i Stamm)

- Ich danke den Göttern. (a Stamm)
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Hier findest du die Lösungen.

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Form

Abschliessende Gedanken

Denkst du die Verberstellung im deutschen Satz wird zurückkehren?
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Link zur Bibliografie​

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