top of page

Lektion 4: Stilometrie

Definition: Stilometrie ist die Untersuchung von Schreibstilen und der Autorenschaft, mit der wir Autor:innen anhand von sprachlichen und strukturellen Merkmalen identifizieren können.

Schlüsselbegriffe

  • Stilometrie

  • Erkennung von Plagiaten

  • Erkennung von Absicht oder Motivation

Lektion 1: Was ist Stilometrie?

Es gibt zahlreiche Arten von schriftlichen Beweismitteln, mit denen forensische Linguist:innen in Berührung kommen können, von Abschiedsbriefen über anonyme Hassbriefe bis hin zu Zeugenaussagen oder sogar Plagiatsfällen. In der Stilometrie analysieren wir diese Texte, um den einzigartigen Schreibstil eines Autors/einer Autorin zu identifizieren. Dazu können Elemente wie Wortwahl, Satzstruktur und Zeichensetzung gehören. Anhand dieser Merkmale können wir feststellen, wer einen Text geschrieben hat.

 

Im Zusammenhang mit Plagiaten wird die Stilometrie verwendet, um die Urheberschaft zu bestimmen. Bei diesem Verfahren wird ein unbekannter Text mit einer bekannten Textprobe eines Autors/einer Autorin verglichen, um Unstimmigkeiten und Ähnlichkeiten festzustellen, die auf ein mögliches Plagiat hindeuten können.

 

So kann beispielsweise die Wortwahl untersucht werden, um Ähnlichkeiten zwischen dem mutmasslichen Plagiat und dem Ausgangsmaterial aufzudecken. Ausserdem werden bei der Stilometrie Interpunktionsmuster, Satzstrukturen und die Verwendung von Funktionswörtern untersucht. Diese Elemente können Abweichungen vom charakteristischen Stil eines Autors/einer Autorin aufzeigen. Plagiierten Inhalten fehlt oft ein emotionaler Ton oder die Stimmung, die im Originaltext vorhanden ist, und die Stilometrie kann die Unterschiede in der Art und Weise, wie Emotionen vermittelt werden, erkennen.

 

Fortgeschrittene Plagiatserkennungsprogramme nutzen maschinelles Lernen und statistische Analysen, um mutmasslich plagiierte Texte systematisch mit einer Datenbank bekannter Quellen zu vergleichen. Durch die Festlegung bestimmter Schwellenwerte für die Ähnlichkeit können diese Tools potenzielle Plagiate erkennen. Die Kombination der stilometrischen Analyse mit Kontextinformationen und dem Verständnis der Absicht des Autors/der Autorin verfeinert den Erkennungsprozess weiter und hilft, zwischen unbeabsichtigten Ähnlichkeiten und absichtlichen Plagiaten zu unterscheiden.

2023 COBS 05312023.png

Nun nehmen wir einen realen Gerichtsfall, bei dem ein Autor wegen Plagiats angeklagt wurde. Wir werden zunächst gemeinsam entscheiden, ob es sich um ein Plagiat handelt oder nicht.

 

Hier sind Auszüge aus beiden Büchern.

​Diskutiert in Zweiergruppen, welche Elemente dieses Textes als mögliche Hinweise auf den Stil des Autors dienen können. Denkt dabei an Dinge wie Wortwahl, Satzlänge und besondere Auffälligkeiten. 

Aktivität 1: Plagiatserkennung

Auszug 1:

​

"Ridgeway und Zoe sahen sich schweigend um. Der Raum hatte die Größe eines Luxushotelzimmers und war auch ähnlich eingerichtet. Neben dem Sofa und den Sesseln gab es einen Fernseher, ein Regal mit aktuellen Magazinen, ein kleines Computerterminal, das Finanzkurse anzeigte, und eine Bar mit Spirituosen. Ridgeway ging zur Bar, legte das verpackte Gemälde auf den Tresen und füllte einen Becher mit Wasser aus einer gekühlten Flasche Perrier."

Auszug 2:

​

"Langdon und Sophie traten in eine andere Welt. Der kleine Raum vor ihnen sah aus wie ein luxuriöses Wohnzimmer in einem feinen Hotel. Das Metall und die Nieten waren verschwunden und durch orientalische Teppiche, dunkle Eichenmöbel und gepolsterte Stühle ersetzt worden. Auf dem breiten Schreibtisch in der Mitte des Raumes standen zwei Kristallgläser neben einer geöffneten Flasche Perrier, deren Bläschen noch sprudelten. Daneben dampfte eine Zinnkanne mit Kaffee."

Ist der Auszug plagiiert? Dieser Fall stammt von Lewis Perdue, dem Autor von "Daughter of God" und "The Da Vinci Legacy" aus dem Jahr 2000 bzw. 1983. Er behauptete, Dan Brown habe sein urheberrechtlich geschütztes Werk plagiiert, da das Ausmass der Kopien von Handlung, Schauplätzen und Figuren selbst für einen Roman desselben Genres übertrieben sei. Auszug 1 stammt aus "The Da Vinci Legacy" von Lewis Perdue und Auszug 2 aus "Da Vinci Code" von Dan Brown. Letztendlich entschied das Gericht, dass es sich nicht um eine Urheberrechtsverletzung handelte. Der mit dem Fall befasste forensische Linguist war jedoch anderer Meinung.

Lektion 2: Wie man die Urheberschaft feststellt

Nun wollen wir uns eingehender damit beschäftigen, wie wir die Urheberschaft eines Textes feststellen können. Dies kann in verschiedenen Zusammenhängen von entscheidender Bedeutung sein, von der Identifizierung potenziell verdächtigter Personen eines Verbrechen bis hin zur Sicherstellung, dass ein Testament tatsächlich gültig ist und von der richtigen Person verfasst wurde. Im Folgenden findet Ihr einige Faktoren, die wir bei der Identifizierung des Autors/der Autorin anhand des sprachlichen Hintergrunds und der Intentionen berücksichtigen können:

Terminologie und Wortschatz

Spezifische Wortwahl: Achtet auf die Wörter, die ein:e Autor:in verwendet. Der Wortschatz kann Aufschluss über Bildungsniveau, Beruf oder Interessen geben.  

 

Fachspezifische Terminologie: Wenn Autor:innen Jargon oder Fachterminologie für ein bestimmtes Gebiet verwenden, kann dies ein Hinweis auf den Hintergrund in diesem Bereich sein.

Zeichensetzung und Grammatik

Grammatische Korrektheit: Die korrekte Verwendung der Grammatik kann auf ein gewisses Bildungsniveau oder die Liebe zum Detail hinweisen.

​

Wahl der Zeichensetzung: Die Verwendung von Ellipsen, Ausrufezeichen oder anderen Satzzeichen kann auf die Gefühlslage oder den persönlichen Schreibstil des Autors/der Autorin hinweisen.

Leserschaft

Verwendung von Pronomen: Die Wahl von Pronomen wie "wir", "ihr" oder "sie" kann Aufschluss über die Beziehung zum Publikum und die damit verbundene Absicht geben.

 

Ansprache der Lesenden: Die Art und Weise, wie der Autor die Leser:innen anspricht (z. B. durch Befehle oder Fragen), kann ebenfalls Aufschluss über die Absicht des Autors/der Autorin geben (z. B. belehren, überzeugen, ansprechen).

Tonfall und Stil

Förmlichkeit vs. Informalität: Die Förmlichkeit der Sprache und des Stils kann auf die Absicht des Autors/der Autorin hinweisen. Ein förmlicher Ton könnte auf einen professionellen oder akademischen Text hindeuten, während ein informeller Ton eher zwanglos oder persönlich sein könnte.

 

Emotionale Sprache: Emotionale Sprache oder anschauliche Beschreibungen können auf den emotionalen Zustand oder die Absicht des Autors/der Autorin hinweisen, z. B. Überzeugung oder Geschichtenerzählen.

Kulturelle Bezüge

Kulturelle Bezüge: Verweise auf kulturelle Elemente, Ereignisse oder idiomatische Ausdrücke können auf den kulturellen Hintergrund des Autors/der Autorin hinweisen.

​

Regionale Sprachvariationen: Regionale Dialekte oder Sprachvariation können auf die geografische Herkunft des Autors/der Autorin hinweisen.

Zusammenfassend

In der Praxis ist der Prozess, die Absicht und den Hintergrund eines Autors/einer Autorin festzustellen, oft eine Kombination aller sprachlichen Elemente. Dies erfordert sorgfältiges Lesen, kritisches Denken und kontextuelles Bewusstsein, um aus der schriftlichen Kommunikation sinnvolle Schlüsse über die Absicht und den Hintergrund zu ziehen.

Satzstruktur

Satzlänge: Kurze, prägnante Sätze können auf einen geradlinigen und direkten Kommunikationsstil hindeuten, während längere, komplexe Sätze auf einen eher formalen oder akademischen Ansatz hindeuten können.

Informationslücken und Auslassungen

Was der Autor/die Autorin nicht sagt oder absichtlich auslässt, kann ebenso aufschlussreich sein wie das, was mitgeteilt wird. Das Verständnis dieser Lücken kann Aufschluss über die Absicht und den Hintergrund des Autors/der Autorin geben.

Detektiv X arbeitet immer noch hart daran, den Einbruch in die Käsefabrik aufzuklären, und wir werden untersuchen, wie wir die Faktoren, die wir gerade gelernt haben, nutzen können, um die Notiz zu analysieren, die der:die Einbrecher:in hinterlassen hat.

 

Wie Ihr sehen könnt, handelt es sich um eine Lebensmittelliste, und Detektiv X hat fünf weitere Schriftproben für uns gesammelt, die wir untersuchen sollen. Untersucht die Handschriftproben in Kleingruppen genau. Sucht nach Mustern oder Hinweisen, die uns helfen könnten, herauszufinden, welche Handschrift mit der des Einbrechers/der Einbrecherin übereinstimmt (Das Original befindet sich links).

​

Danach werden wir Eure Ergebnisse besprechen. Lasst Eure detektivische Ader spielen!

2023 COBS 05312023 (2).png

Aktivität 2: Aufklärung des Einbruchs

IMG_4568.heic

Gibt es Übereinstimmungen bei diesen Beispielen? Während das Original und #4 sehr ähnlich sind, handelt es sich leider nicht um eine tatsächliche Übereinstimmung. Detektiv X wird also weiterhin nach dem Einbrecher/der Einbrecherin suchen müssen...

Abschliessender Gedanke für diese Lektion

​

  • Wir haben das Konzept der Stilometrie erforscht, das uns hilft, Schreibstile und Urheberschaft zu identifizieren.

  • Wir haben uns mit den Faktoren befasst, die uns bei der Bestimmung der Urheberschaft helfen können, und mit der Frage, wie sie zur Aufklärung von Plagiatsfällen und zur Identifizierung potenziell verdächtigter Personen eingesetzt wird.

 

Wie können diese Konzepte in Eurem eigenen Leben angewendet werden? Wie können sie in der Forschung, in der Kommunikation oder bei Online-Interaktionen nützlich sein?

​

​

Quellen

Bredthauer, S. (2013). Verstellungen in inkriminierten Schreiben. Kölner Wissenschaftsverlag.

 

Eilika Fobbe. (2011). Forensische Linguistik: Eine Einführung. Narr Francke Attempto.

 

Olsson, J., & Luchjenbroers, J. (2014). Forensic linguistics. Bloomsbury.

 

Olsson, J. (2017). Wordcrime : solving crime through forensic linguistics. Bloomsbury Academic.

bottom of page