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Einführung: Pragmatik

Worum geht es in diesem Bereich der Linguistik? Diese Lektion bietet etwas Kontext, bevor du die anderen Teilbereiche vertiefst.

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Was ist Pragmatik?

Wie die Semantik beschäftigt sich auch die Pragmatik mit Bedeutung. Während sich aber die Semantik kontextunabhängige Bedeutung ansieht, befasst sich die Pragmatik mit kontextabhängiger Bedeutung. Die pragmatische Bedeutung einer Äusserung ergibt sich also erst aus einem gewissen Kontext. Schauen wir uns hierzu ein Beispiel an:​

"Das hast du ja mal wieder richtig gut gemacht."

Diese Äusserung kann in ganz unterschiedlichen Kontexten gemacht werden und je nach Kontext auch etwas anderes bedeuten. 

Situation 1: Peter hat in seiner letzten Mathe-Prüfung eine 6 erhalten und zeigt das Resultat seiner Mutter. Darauf erwidert diese: “Das hast du ja mal wieder richtig gut gemacht.” Die Mutter lobt Peter also für seine gute Leistung.

Situation 2: Peter und ein Freund sitzen zusammen im Auto, Peter fährt. Er ist aber kurz abgelenkt und kommt von der Strasse ab. Ein Baum beendet die Fahrt abrupt. Sein Freund sagt: “Das hast du ja mal wieder richtig gut gemacht”. In dieser Situation ist diese Äusserung nicht als Lob zu verstehen, im Gegenteil, sie drückt Kritik aus. 

Die Bedeutung der Äusserung in Situation 1 kann grundsätzlich mit den Mitteln der Semantik erklärt werden. Das Adjektiv “gut” hat eine positive Bedeutung und wenn wir es der Handlung einer Person zuschreiben, ergibt das ein Lob. Um aber zu erklären, wie es in bestimmten Kontexten zum Gegenteil werden kann (wie in Situation 2), brauchen wir die Pragmatik. Diese lässt uns die nicht-wörtlichen Aspekte sprachlicher Bedeutung erkennen, die erst bei der Verwendung von Ausdrücken in bestimmten Situationen entstehen.

Wozu Pragmatik

Pragmatische Kompetenzen stellen eine wesentliche Voraussetzung für die Aufrechterhaltung und das Gelingen zwischenmenschlicher Kommunikation dar. Erst durch das Beherrschen von pragmatischen Mitteln sind wir in der Lage, nonverbale und verbale Kommunikationsmittel zu verstehen und selbst auch richtig zu verwenden. Sie ermöglichen uns, uns in den:die Hörer:in hineinzuversetzen und unsere Äusserungen auf Gesprächspartner:innen abzustimmen. So verwenden wir beispielsweise weniger Fremdwörter und kurze Sätze, wenn wir mit Kindern sprechen, hingegen ein grösseres Vokabular und komplexere Satzstrukturen, wenn wir bei einem Bewerbungsgespräch einen guten Eindruck machen wollen. So beziehen wir das angenommene Vorwissen und die Fähigkeiten unseres Gegenübers in unseren eigenen Sprachgebrauch mit ein. Würden wir dies nicht tun, käme es andauernd zu Missverständnissen, weil beispielsweise schwierige Wörter vom Gegenüber nicht verstanden werden.

Wenn Pragmatik zum Problem wird

Die meisten Menschen haben keine Probleme damit, die pragmatische Bedeutung einer Äusserung wie im Beispiel oben zu verstehen. Bereits in den ersten Lebenswochen können bei Säuglingen Ansätze pragmatischer Kompetenzen beobachtet werden. Bis aber herausfordernde Konzepte wie Ironie und indirekte Sprechakte (vgl. Lektion 3) verstanden werden können, dauert es noch einige Jahre. Studien deuten darauf hin, dass Kinder erst im Alter von 8 Jahren nicht-wörtliche Bedeutungen verstehen können.

Anders sieht es aus bei Menschen mit psychischen Erkrankungen, die das pragmatische Verständnis beeinträchtigen. Beispielsweise Autismus-Spektrum-Störungen oder schizophrene Erkrankungen führen zu Defiziten in diesem Bereich. So kann es sein, dass Kinder und Erwachsene mit einer solchen Störung Probleme damit haben:

  • einem Gespräch aufmerksam zu folgen, 

  • nonverbale Signale (z.B.Gestik, Mimik, Körperhaltung) und paraverbale Signale (z.B. Sprechtempo und Betonung) nicht richtig interpretieren,

  • das Vorwissen des Gegenübers richtig einzuschätzen,

  • indirekte Sprechakte, Humor, Metaphern und Ironie zu verstehen,

  • zu überprüfen, ob das Gegenüber sie tatsächlich verstanden hat.

Du bist nun bereit, mit den Lektionen in diesem Modul fortzufahren... Viel Spass!

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